Besucherdienst des Bundestags: Dozent erbringt umsatzsteuerfreie Leistungen

Dass Unternehmer ihre Umsatzsteuerbefreiung mitunter direkt aus dem EU-Recht herleiten können, zeigt ein neuer Fall des Bundesfinanzhofs (BFH), in dem ein selbständig tätiger Dozent im Besuchsdienst des Deutschen Bundestags aktiv gewesen war. Er hatte in den Jahren 2003 bis 2010 verschiedene Veranstaltungen mit staatspolitischem und historischem Themenbezug im Bundestag angeboten. In seinen Vorträgen und Führungen hatte er Besucher über die Geschichte des deutschen Parlamentarismus und über demokratische Entscheidungsprozesse informiert. Zu seiner Zielgruppe gehörten Schüler, Studenten sowie Bundeswehrangehörige, Lehrer und Ausbilder aus dem Bereich der politischen Bildung.


Das Finanzamt sah die Tätigkeit des Dozenten als umsatzsteuerpflichtig an und forderte für die Jahre 2003 bis 2010 nachträglich Umsatzsteuer ein. Der BFH entschied jedoch, dass die erbrachten Leistungen steuerfrei waren. Die Befreiung ergab sich zwar nicht aus dem deutschen Umsatzsteuergesetz, ließ sich vom Gericht aber unmittelbar aus dem EU-Recht herleiten.


Nach den Regeln der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) ist Schul- und Hochschulunterricht steuerfrei, wenn er durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts erteilt wird, die mit Aufgaben des Schul- und Hochschulunterrichts betraut sind. Steuerbefreit sind zudem Unterrichtsleistungen von anderen Einrichtungen, die eine (vom jeweiligen Mitgliedsstaat anerkannte) vergleichbare Zielsetzung verfolgen.


Der BFH sah die Dozentenleistungen als „Schul- und Hochschulunterricht“ im Sinne der MwStSystRL an, da ihnen Unterrichtscharakter zukam, sie über ein qualitatives Mindestniveau verfügten und keinen Freizeitcharakter hatten. Nach Gerichtsmeinung war der Dozent mit seinem Unternehmen auch als anerkannte Einrichtung im Sinne der MwStSystRL einzustufen; die staatliche Anerkennung ergab sich im Entscheidungsfall daraus, dass in der Tätigkeit des Besucherdienstes ein hohes Gemeinwohlinteresse lag und die Parlamentsverwaltung den Dozenten unmittelbar vergütet hatte.


Hinweis: Sofern Umsätze nicht nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz steuerfrei bleiben können, lohnt sich für Unternehmer ein Blick in die Steuerbefreiungen nach dem übergeordneten EU-Recht. Diese Vorschriften sind mitunter weiter gefasst und können das nationale Recht überlagern. Dieser Blick „über den deutschen Tellerrand“ hat in letzter Zeit häufiger zum Erfolg vor den Steuergerichten geführt.

Information für: Unternehmer
zum Thema: Umsatzsteuer

(aus: Ausgabe 01/2017)

Source: Mandanten-Infos